Camerarius an Stramburger, 1544 a: Unterschied zwischen den Versionen

Aus Joachim Camerarius (1500-1574)
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K (Regest)
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Zunächst geht er auf den Einwand ein, dass sich die Situation durch solche Gespräche in der Regel verschlimmert habe. Dies sei allerdings einem Mangel an Ernsthaftigkeit, Geschick, Hartnäckigkeit und Standfestigkeit von seiten des Universitätssenates geschuldet. Das Gespräch sei das einzige Mittel, das Aussicht auf Erfolg habe, man müsse es nur richtig durchführen.  
 
Zunächst geht er auf den Einwand ein, dass sich die Situation durch solche Gespräche in der Regel verschlimmert habe. Dies sei allerdings einem Mangel an Ernsthaftigkeit, Geschick, Hartnäckigkeit und Standfestigkeit von seiten des Universitätssenates geschuldet. Das Gespräch sei das einzige Mittel, das Aussicht auf Erfolg habe, man müsse es nur richtig durchführen.  
  
Auf die Ansicht, die Situation an der Universität sei gar nicht so ernst, entgegne er, er habe Parallelen mit vergleichbaren Ereignissen gezogen und zum Schluss gekommen, dass hier genauso wie auch bei den anderen durchaus Schlimmes zu befürchten sei. Es sei nämlich sehr leicht, dass auch aus kleinen Anfängen ein großes Übel entstehe. Denn dass den ''communitates scholasticae'' der Schutz fehle oder diese auch nur nachlässig geschützt werden, sei unerträglich. So würden diese nämlich jeweils entweder eingehen oder zumindest nicht mehr wachsen können. Aus diesem Grund hätten die Staatslenker zu jeder Zeit darauf geachtet, die Gemeinschaften der Gelehrten (''conventus scholastici'') und die Wissenschaft mit großen Freiheiten zu versehen und zu schützen. Jetzt sei die Universität in dieser Hinsicht aber nicht geschützt worden, und er wisse nicht, ob das aus irgendeiner bösartigen Motivation heraus geschehen ist oder nicht. Er glaube, auch der Stadtrat habe eigentlich nur gute Absichten.
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Auf die Ansicht, die Situation an der Universität sei gar nicht so ernst, entgegne er, er habe Parallelen mit vergleichbaren Ereignissen gezogen und sei zum Schluss gekommen, dass hier genauso wie auch bei den anderen durchaus Schlimmes zu befürchten sei. Es sei nämlich sehr leicht, dass auch aus kleinen Anfängen ein großes Übel entstehe. Denn dass den ''communitates scholasticae'' der Schutz fehle oder diese auch nur nachlässig geschützt werden, sei unerträglich. So würden diese nämlich jeweils entweder eingehen oder zumindest nicht mehr wachsen können. Aus diesem Grund hätten die Staatslenker zu jeder Zeit darauf geachtet, die Gemeinschaften der Gelehrten (''conventus scholastici'') und die Wissenschaft mit großen Freiheiten zu versehen und zu schützen. Jetzt sei die Universität in dieser Hinsicht aber nicht geschützt worden, und er wisse nicht, ob das aus irgendeiner bösartigen Motivation heraus geschehen ist oder nicht. Er glaube, auch der Stadtrat habe eigentlich nur gute Absichten.
  
 
Jetzt solle also der Fokus auf Aussöhnung der Parteien und Stabilisierung der Lage gelegt werden. Immerhin höre man Reden, denen zufolge der Universität keine eigenen Rechte und keine Freiheiten zustünden. Lasse man den Dingen ihren Lauf, so sehe er tatsächlich größere Probleme vorher. Konkret sei die Möglichkeit einer Abwanderung (''discessio'') von der Universität ein großes Problem, vor allem weil sich dann diese Leute im Geiste noch weiter von ihnen entfernen könnten. Die Gefahren einer solchen Entwicklung wolle er lieber im Zwiegespäch mit Stramburger als öffentlich erörtern. Er selbst könnte sich eigentlich auch aus alledem herauhalten, weil er nicht nach hohen Titeln und Geld trachte, aber er fühle durch die Gespräche mit Menschen wie Stramburger trotzdem einen Drang, sich zu involvieren. Er habe ihm diesen Brief also geschrieben, weil er überzeugt sei, dass sie sich schon einig seien, was man tun müsse. Jetzt gelte es bloß, die Pläne in die Tat umzusetzen. Camerarius sei überzeugt, daß es selbst im Falle des Weltunterganges gottgefällig sei, sich um den Erhalt der Wissenschaften und Künste zu bemühen. Daher werde Gott ihr Vorhaben auch fördern ud belohnen, und wenn schon nicht auf dieser Welt, dann doch in der anderen. Wären alle so sehr um die Sache bemüht wie Stramburger, so bestünde keine Gefahr.
 
Jetzt solle also der Fokus auf Aussöhnung der Parteien und Stabilisierung der Lage gelegt werden. Immerhin höre man Reden, denen zufolge der Universität keine eigenen Rechte und keine Freiheiten zustünden. Lasse man den Dingen ihren Lauf, so sehe er tatsächlich größere Probleme vorher. Konkret sei die Möglichkeit einer Abwanderung (''discessio'') von der Universität ein großes Problem, vor allem weil sich dann diese Leute im Geiste noch weiter von ihnen entfernen könnten. Die Gefahren einer solchen Entwicklung wolle er lieber im Zwiegespäch mit Stramburger als öffentlich erörtern. Er selbst könnte sich eigentlich auch aus alledem herauhalten, weil er nicht nach hohen Titeln und Geld trachte, aber er fühle durch die Gespräche mit Menschen wie Stramburger trotzdem einen Drang, sich zu involvieren. Er habe ihm diesen Brief also geschrieben, weil er überzeugt sei, dass sie sich schon einig seien, was man tun müsse. Jetzt gelte es bloß, die Pläne in die Tat umzusetzen. Camerarius sei überzeugt, daß es selbst im Falle des Weltunterganges gottgefällig sei, sich um den Erhalt der Wissenschaften und Künste zu bemühen. Daher werde Gott ihr Vorhaben auch fördern ud belohnen, und wenn schon nicht auf dieser Welt, dann doch in der anderen. Wären alle so sehr um die Sache bemüht wie Stramburger, so bestünde keine Gefahr.
  
 
(Maximilian Wolter)
 
(Maximilian Wolter)

Version vom 19. März 2020, 19:25 Uhr



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Camerarius an Stramburger, 2. Hälfte 15451545 JL
Camerarius an Stramburger, 26.07.154726 Juli 1547 JL
Camerarius an Stramburger, 04.10.15474 Oktober 1547 JL
Werksigle OCEp 0567
Zitation Camerarius an Stramburger, 1544 a, bearbeitet von Manuel Huth und Maximilian Wolter (19.03.2020), in: Opera Camerarii Online, http://wiki.camerarius.de/OCEp_0567
Besitzende Institution
Signatur, Blatt/Seite
Ausreifungsgrad Druck
Erstdruck in Camerarius, Epistolae familiares, 1583
Blatt/Seitenzahl im Erstdruck S. 135-140
Zweitdruck in
Blatt/Seitenzahl im Zweitdruck
Sonstige Editionen
Wird erwähnt in
Fremdbrief? nein
Absender Joachim Camerarius I.
Empfänger Johann Stramburger
Datum 1544
Datum gesichert? nein
Bemerkungen zum Datum
Unscharfes Datum Beginn
Unscharfes Datum Ende
Sprache Latein
Entstehungsort o.O.
Zielort o.O.
Gedicht? nein
Incipit Etsi amor erga me tuus multis clarissimis signis declaratus
Link zur Handschrift
Regest vorhanden? ja
Paratext ? nein
Paratext zu
Kurzbeschreibung
Anlass
Register Universität (Leipzig)
Handschrift unbekannt
Bearbeitungsstand validiert
Notizen
Wiedervorlage ja
Bearbeiter Benutzer:MH; Benutzer:HIWI7
Gegengelesen von Benutzer:US
Datumsstempel 19.03.2020
Werksigle OCEp 0567
Zitation Camerarius an Stramburger, 1544 a, bearbeitet von Manuel Huth und Maximilian Wolter (19.03.2020), in: Opera Camerarii Online, http://wiki.camerarius.de/OCEp_0567
Ausreifungsgrad Druck
Erstdruck in Camerarius, Epistolae familiares, 1583
Blatt/Seitenzahl im Erstdruck S. 135-140
Fremdbrief? nein
Absender Joachim Camerarius I.
Empfänger Johann Stramburger
Datum 1544
Datum gesichert? nein
Sprache Latein
Entstehungsort o.O.
Zielort o.O.
Gedicht? nein
Incipit Etsi amor erga me tuus multis clarissimis signis declaratus
Regest vorhanden? ja
Paratext ? nein
Register Universität (Leipzig)
Datumsstempel 19.03.2020


Regest

Weil sein Verhältnis zu Stramburger freundschaftlich und vertrauensvoll sei, wage er es in diesem Brief, ihm frei seine Meinung mitzuteilen. Seiner Meinung nach müssten sich der Senat der Universität (Leipzig) und der Stadtrat zu einem Gespräch treffen, um ihren Streit beizulegen. Er wünsche sich aber zunächst Stramburgers Rückmeldung zu dieser Idee. Da der Stadtrat dies einfordere, denke er, dass man sich nicht darüber hinwegsetzen könne. Aber auch unabhängig davon wäre es gut, auf ein solches Gespräch zu drängen. Er sei sich bei der Sache aber nicht ganz sicher und gebe zu, sich irren zu können, weniger, weil er falsch darüber denke, sondern eher, was den Ausgang der Angelegenheit betreffe. Wie schon Demosthenes wußte, könne alles erst am Ende beurteilt werden (πρὸς τὸ ἔσχατον ἐκβὰν ἅπαντα, Olynthiaca 1, 11, 7). Da er vor kurzem erleben durfte, wie einer seiner Ratschläge, der ihm eigentlich sinnvoll und gut schien, zerrissen wurde, scheue er sich nun, seine Meinung zu äußern oder zu verteidigen. Er wolle Stramburger daher zunächst im Privaten erklären, warum er das Gespräch für nötig halte.

Zunächst geht er auf den Einwand ein, dass sich die Situation durch solche Gespräche in der Regel verschlimmert habe. Dies sei allerdings einem Mangel an Ernsthaftigkeit, Geschick, Hartnäckigkeit und Standfestigkeit von seiten des Universitätssenates geschuldet. Das Gespräch sei das einzige Mittel, das Aussicht auf Erfolg habe, man müsse es nur richtig durchführen.

Auf die Ansicht, die Situation an der Universität sei gar nicht so ernst, entgegne er, er habe Parallelen mit vergleichbaren Ereignissen gezogen und sei zum Schluss gekommen, dass hier genauso wie auch bei den anderen durchaus Schlimmes zu befürchten sei. Es sei nämlich sehr leicht, dass auch aus kleinen Anfängen ein großes Übel entstehe. Denn dass den communitates scholasticae der Schutz fehle oder diese auch nur nachlässig geschützt werden, sei unerträglich. So würden diese nämlich jeweils entweder eingehen oder zumindest nicht mehr wachsen können. Aus diesem Grund hätten die Staatslenker zu jeder Zeit darauf geachtet, die Gemeinschaften der Gelehrten (conventus scholastici) und die Wissenschaft mit großen Freiheiten zu versehen und zu schützen. Jetzt sei die Universität in dieser Hinsicht aber nicht geschützt worden, und er wisse nicht, ob das aus irgendeiner bösartigen Motivation heraus geschehen ist oder nicht. Er glaube, auch der Stadtrat habe eigentlich nur gute Absichten.

Jetzt solle also der Fokus auf Aussöhnung der Parteien und Stabilisierung der Lage gelegt werden. Immerhin höre man Reden, denen zufolge der Universität keine eigenen Rechte und keine Freiheiten zustünden. Lasse man den Dingen ihren Lauf, so sehe er tatsächlich größere Probleme vorher. Konkret sei die Möglichkeit einer Abwanderung (discessio) von der Universität ein großes Problem, vor allem weil sich dann diese Leute im Geiste noch weiter von ihnen entfernen könnten. Die Gefahren einer solchen Entwicklung wolle er lieber im Zwiegespäch mit Stramburger als öffentlich erörtern. Er selbst könnte sich eigentlich auch aus alledem herauhalten, weil er nicht nach hohen Titeln und Geld trachte, aber er fühle durch die Gespräche mit Menschen wie Stramburger trotzdem einen Drang, sich zu involvieren. Er habe ihm diesen Brief also geschrieben, weil er überzeugt sei, dass sie sich schon einig seien, was man tun müsse. Jetzt gelte es bloß, die Pläne in die Tat umzusetzen. Camerarius sei überzeugt, daß es selbst im Falle des Weltunterganges gottgefällig sei, sich um den Erhalt der Wissenschaften und Künste zu bemühen. Daher werde Gott ihr Vorhaben auch fördern ud belohnen, und wenn schon nicht auf dieser Welt, dann doch in der anderen. Wären alle so sehr um die Sache bemüht wie Stramburger, so bestünde keine Gefahr.

(Maximilian Wolter)