Vettori an Camerarius, 14.07.1555(?)

Aus Joachim Camerarius (1500-1574)
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 Briefdatum
Camerarius an Vettori, 01.04.1555(?)1 April 1555 JL
Vettori an Camerarius, 14.07.1555(?)17 Juli 1555 JL
Camerarius an Vettori, 05.01.1556(?)1556 JL
Werksigle OCEp 1242
Zitation Vettori an Camerarius, 14.07.1555(?), bearbeitet von Ulrich Schlegelmilch, Maximilian Wolter, Alexander Hubert und Vinzenz Gottlieb (19.05.2022), in: Opera Camerarii Online, http://wiki.camerarius.de/OCEp_1242
Besitzende Institution
Signatur, Blatt/Seite
Ausreifungsgrad Druck
Erstdruck in Vettori 1577
Blatt/Seitenzahl im Erstdruck S. 9-16
Zweitdruck in Camerarius, Epistolae familiares, 1595
Blatt/Seitenzahl im Zweitdruck S. 457-462
Sonstige Editionen Vettori 1597, S. 10-17
Wird erwähnt in
Fremdbrief? nein
Absender Pietro Vettori
Empfänger Joachim Camerarius I.
Datum 1552/07/14
Datum gesichert? nein
Bemerkungen zum Datum 14.07.(o.J.) (Prid. Id. Quintil.)
Unscharfes Datum Beginn
Unscharfes Datum Ende
Sprache Latein
Entstehungsort Florenz
Zielort o.O.
Gedicht? nein
Incipit Aequo animo patior, vir optime
Link zur Handschrift
Regest vorhanden? ja
Paratext ? nein
Paratext zu
Kurzbeschreibung
Anlass
Register Parallelüberlieferung (Briefe); Briefe/Wissenschaftlicher Austausch; Kriege, Konflikte etc.; Werkgenese
Handschrift unbekannt
Bearbeitungsstand korrigiert
Notizen VG, 26.04.22: Litterae ipsae mihi sero, id est, quatuor ab hoc quo hae scripsi ... redditae sunt: Die Formulierung ergibt keinen Sinn, da das hier der Antwortbrief ist. Er kann nicht vier Tage vor dem Eintreffen von OCEp 1241 geschrieben worden sein. Oder geht es hier um einen weiteren Brief?

Etwas unklar ist der Krieg: wenn damit der Krieg https://it.wikipedia.org/wiki/Guerra_di_Siena gemeint ist, stimmt die Datierung nicht und wäre evtl. auf 1554 zu verschieben (dito OCEp 1241; OCEp 1243 auf 1555). Dem entgegen steht allerdings die erwähnte Phalerius-Edition, die 1552 erschienen sein soll. Da kein Digitalisat dazu vorliegt, konnte das noch nicht verifiziert werden.

Wiedervorlage ja
Bearbeiter Benutzer:US; Benutzer:HIWI7; Benutzer:HIWI; Benutzer:VG
Gegengelesen von Benutzer:VG
Datumsstempel 19.05.2022
Werksigle OCEp 1242
Zitation Vettori an Camerarius, 14.07.1555(?), bearbeitet von Ulrich Schlegelmilch, Maximilian Wolter, Alexander Hubert und Vinzenz Gottlieb (19.05.2022), in: Opera Camerarii Online, http://wiki.camerarius.de/OCEp_1242
Ausreifungsgrad Druck
Erstdruck in Vettori 1577
Blatt/Seitenzahl im Erstdruck S. 9-16
Zweitdruck in Camerarius, Epistolae familiares, 1595
Blatt/Seitenzahl im Zweitdruck S. 457-462
Sonstige Editionen Vettori 1597, S. 10-17
Wird erwähnt in
Fremdbrief? nein
Absender Pietro Vettori
Empfänger Joachim Camerarius I.
Datum 1552/07/14
Datum gesichert? nein
Bemerkungen zum Datum 14.07.(o.J.) (Prid. Id. Quintil.)
Sprache Latein
Entstehungsort Florenz
Zielort o.O.
Gedicht? nein
Incipit Aequo animo patior, vir optime
Regest vorhanden? ja
Paratext ? nein
Register Parallelüberlieferung (Briefe); Briefe/Wissenschaftlicher Austausch; Kriege, Konflikte etc.; Werkgenese
Datumsstempel 19.05.2022


Hinweis zur Datierung

Das Schreiben reagiert unmittelbar auf Camerarius' Eröffnung des Briefwechsels vom 1. April 1552.

Regest

Vettori ertrage es gerne, von Camerarius in der Pflicht, zwischen ihnen beiden einen Briefwechsel zu beginnen, überholt worden zu sein (siehe Eröffungsbrief). Als er nämlich dessen Rezension zu seiner Ausgabe einiger Cicero-Bücher erhalten habe, sei er sehr beeindruckt gewesen von seiner Anerkennung bei für richtig Befundenem und der Milde bei Tadelnswertem. Dies zeige den aufrichtigen Charakter von Camerarius, ganz im Gegensatz zu vielen anderen Zeitgenossen, die auch eigentlich nicht Streitbares in ihrer Böswilligkeit verrissen, wie er selbst schon erfahren habe müssen.

Seit diesem Zeitpunkt betrachte er Camerarius als Freund und habe ihm seitdem schon oft schreiben wollen, aber es bisher nicht getan, weil er dachte, dass die große physische Distanz durch den fehlenden Umgang miteinander den Erhalt ihrer Freundschaft gefährden würde. Außerdem sei der Grundstein für gegenseitigen guten Willen bereits durch Camerarius‘ Rezension gelegt worden, was diesem sicher nicht entgangen sei. Camerarius habe es in der Tat aber schlauer als er selbst eingeschätzt, als er sich entschied, ihm auch per Brief seine freundschaftliche Gesinnung mitzuteilen. Dafür gebüre ihm seine Dankbarkeit und er werde ihm stets mit helfen.

Er empfinge die Klage über den schlimmen Stand der Literaturwissenschaften in Deutschland mit großer Beschwernis. Auch für sie hier in Italien habe es in den letzten zwei Jahren viele Miseren gegeben. Seit nämlich der Krieg ausgebrochen sei, in dem Siena vollkommen zerstört worden sei, sei ein Teil dieser Unruhen auch nach ihren Ort übergeschwappt, sodass viele Menschen durch Gewalt, Hunger oder Krankheit zu Tode gekommen und Städte durch die unermesslichen Ausgaben finanziell ruiniert seien. Wenn man also irgendwie Humor in dieser Situation finden könnte, so würde er sich der Worte von Aristophanes, Equites 9 (ξυναυλίαν κλαύσωμεν Οὐλύμπου νόμον) bedienen und ihn zum gemeinsamen Singen eines Klagelieds auffordern. Weil man allerdings nichts an dieser schlimmen Lage der Dinge ändern könne, sei es am besten, sich nicht weiter über sie auszulassen und sie stattdessen tapfer zu ertragen. Es sei zu beklagen, dass junge Menschen sich in diesen Zeiten weniger der Literatur widmeten und die älteren, etablierten Literaten seltener und mit schlechterer Qualität Werke herausgäben. Auf Camerarius treffe dies nicht zu, im Gegenteil zeuge sein Brief von seinem großen Talent und bestätige seinen guten Ruf. Er solle der ungünstigen Lage zum Trotz genauso weiterarbeiten und werde damit gleichzeitig der Öffentlichkeit einen Gefallen tun und für sich selbst Ruhm gewinnen.

Bezüglich Camerarius‘ Frage, ob er gerade die Veröffentlichung eines bisher unbekannten und verborgenen Werks vorbereite: er habe dies schon lange tun wollen und es gebe sicherlich viele fruchtbare Vorhaben, aber er komme nur mühsam mit seiner Arbeit voran, was an den Setzern läge. Es gebe nämlich wenige von ihnen, die auch noch von der aktuellen Lage ausgezehrt (exinaniti) seien und sich deshalb nur schwer dazu bringen ließen, antike Autoren zu drucken, vor allem Griechen. Sie seien nämlich nur auf einfachen Gewinn aus. Er habe einmal alle Hebel in Bewegung gesetzt, um Lorenzo Torrentino dazu zu bringen, Clemens von Alexandria zu drucken. Er habe dies so langsam und mit so vielen Unterbrechungen getan, dass er fast alle Hoffnung auf Fertigstellung aufgegeben habe. Danach habe er ihn nicht mehr zum Druck eines anderen Griechen überzeugen können. Er habe einmal viel Mühe in die Erarbeitung einer Edition von Aischylos gesteckt. Darin habe er dessen Texte mithilfe vieler alter Textzeugnisse zusammengestellt und ihn sozusagen um eine neue Tragödie erweitert, denn er habe den Agamemnon in Gänze gefunden. Außerdem habe er eine große Menge an alten Scholien abgeschrieben, um diesen schwer verständlichen Autor einfacher zu machen und damit auch für ein breiteres Publikum attraktiver, was auch den potentiellen Gewinn erhöhen würde. Aber sogar unter diesen Umständen habe er sich geweigert, das Buch zu drucken, weshalb er sich an Henri Estienne gewendet habe, der seine höchsten Bemühungen um diese Ausgabe versprochen habe. Er könne allerdings nicht sagen, wann die Edition fertig sein würde. Dies hinge von Estienne ab. Dies also sei es, was seine Bemühungen erschwert und ihn von seinem selbst so begriffenen Dienst als Verkünder (praeco) der aus Raub und Brand Griechenlands geretteten und wiederhergestellten antiken Werke abgehalten habe. (s. Anm. 1)

Außerdem habe er eine kritische Ausgabe zu Demetrius Phalereus' περὶ ἑρμενείας schon fast komplett fertiggestellt. Dergleichen habe er einiges angefangen, was er fertigzustellen gedenke, wenn sein Gesundheitszustand es zulasse. Er sei nämlich körperlich nicht mehr in der Lage, so wie früher sein Bedürfnis zum Lesen und Verfassen zu stillen, weil er an einem chronischen Katarrh leide. Die jungen Männer, denen Camerarius seinen Brief gegeben habe, hätte er gerne bei sich empfangen, aber aus irgendeinem Grund seien sie nie angekommen. Der Brief selbst sei spät durch den staatlichen Boten bei ihm eingetroffen, d.h. vier Tage nach der Fertigstellung dieses Briefs. Wenn er Camerarius und den Seinen mit seinen Werken eine Freude bereitet habe, freue er sich, und werde in seinen Bemühungen nicht nachlassen, da er sie in Deutschland so gut rezipiert würden. Er habe großen Respekt für die Deutschen, die nach ihrem Ruhm im Kriegswesen sich nun auch in den freien Künsten hervortäten, auch wenn die inneren Streitigkeiten in vielen Staaten diese Betätigungen zur Zeit erschwerten. Er sei zuversichtlich, dass Gott Besserung in die Wege leiten werde. Zum Abschied wolle er nochmals die Humanitas des Camerarius preisen und er selbst werde sich nach Kräften bemühen, dass die Freundschaft trotz der großen Distanz erhalten bleibt. Er wünsche ihm alles Gute und körperliche Gesundheit, auf dass er seine Tätigkeit immer im gleichen Maße fortsetzen könne.

(Maximilian Wolter, Vinzenz Gottlieb)


Anmerkungen

  • Anm. 1: In Franciscus Asulanus' Editio princeps hatten die "Choephoren" gefehlt, da diese in den Handschriften mit dem "Agamemnon" vermischt waren, von dem dafür die Verse 311-1066 fehlten. Francesco Robortello versuchte in seiner Ausgabe von 1552, die beiden Stücke zu trennen, doch vollständig gelang dies erst Vettori in seiner Ausgabe, die letztlich 1557 herauskam.