Camerarius an Förtsch, 01.10.1555: Unterschied zwischen den Versionen

Aus Joachim Camerarius (1500-1574)
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Camerarius habe bereits nach Leipzig aufbrechen wollen, als ihm zu Ohren gekommen sei, dass Förtsch über einige Äußerungen von Camerarius geklagt habe, als sei der von der Sache abgefallen, dass er sich aber dennoch liebenswert über ihn geäußert und gewünscht habe, dass man Camerarius die Nachricht über den Tod von Förtschs Sohn überbringe. Camerarius verstehe, dass Förtsch sehr um seinen Sohn trauere, auf den er, auch veranlasst durch Camerarius, große Hoffnungen gesetzt habe; gleichwohl sei Camerarius sich sicher, dass Förtsch zu denen gehöre, die in ihrer Trauer Maß hielten und wüssten, wo Trost zu finden sei. Camerarius aber verstehe Förtschs Benachrichtigung als Zeichen seiner Freundschaft.<br>
 
Camerarius habe bereits nach Leipzig aufbrechen wollen, als ihm zu Ohren gekommen sei, dass Förtsch über einige Äußerungen von Camerarius geklagt habe, als sei der von der Sache abgefallen, dass er sich aber dennoch liebenswert über ihn geäußert und gewünscht habe, dass man Camerarius die Nachricht über den Tod von Förtschs Sohn überbringe. Camerarius verstehe, dass Förtsch sehr um seinen Sohn trauere, auf den er, auch veranlasst durch Camerarius, große Hoffnungen gesetzt habe; gleichwohl sei Camerarius sich sicher, dass Förtsch zu denen gehöre, die in ihrer Trauer Maß hielten und wüssten, wo Trost zu finden sei. Camerarius aber verstehe Förtschs Benachrichtigung als Zeichen seiner Freundschaft.<br>
 
Dass es aber offenbar Leute gebe, die Förtsch von ihm abzuwenden suchten, erkenne er als Zeichen der Schlechtigkeit seiner Zeit oder seines eigenen Unglücks. Denn in Bezug auf das, was man Förtsch über Camerarius' Meinungsumschwung berichtet habe, hoffe er, dass Förtsch selbst besser von ihm denke und zulange kenne, um dem Glauben zu schenken. Denn wenn ihm auch kaum jemand schwächer erscheine als er selbst, hoffe er dennoch, so viel Konsequenz bewahrt zu haben, dass ihn kein guter Mensch zurechtweisen könne.<br>  
 
Dass es aber offenbar Leute gebe, die Förtsch von ihm abzuwenden suchten, erkenne er als Zeichen der Schlechtigkeit seiner Zeit oder seines eigenen Unglücks. Denn in Bezug auf das, was man Förtsch über Camerarius' Meinungsumschwung berichtet habe, hoffe er, dass Förtsch selbst besser von ihm denke und zulange kenne, um dem Glauben zu schenken. Denn wenn ihm auch kaum jemand schwächer erscheine als er selbst, hoffe er dennoch, so viel Konsequenz bewahrt zu haben, dass ihn kein guter Mensch zurechtweisen könne.<br>  
Doch er verurteile Gewalt und Wahn mancher, und wenn er die nützlichen Studien mehr schätze als die unnötigen Kämpfe andere, so müsse man ihm verziechen, der er ja auch immer die Religion am höchsten geschätzt habe. Dagegen könnten andere sagen, was sie wollten, Camerarius habe ein reines Gewissen. Es sei eine unglaubliche Frechheit, wie manche das täten, um die aufgescheuchten Massen nicht zur Ruhe kommen zu lassen, menschliche und göttliche Angelegenheiten zu vermischen. Und sie lögen dem Volk etwas von Freiheit vor und verleumdeten sie Reden der anderen. Der Rest sei Gottes Urteil zu überlassen.<br>
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Doch er verurteile Gewalt und Wahn mancher, und wenn er die nützlichen Studien mehr schätze als die unnötigen Kämpfe andere, so müsse man ihm verziechen, der er ja auch immer die Religion am höchsten geschätzt habe. Dagegen könnten andere sagen, was sie wollten, Camerarius habe ein reines Gewissen. Es sei eine unglaubliche Frechheit, wie manche das täten, um die aufgescheuchten Massen nicht zur Ruhe kommen zu lassen, menschliche und göttliche Angelegenheiten zu vermischen. Und sie lögen dem Volk etwas von Freiheit vor und verleumdeten sie Reden der anderen. (Einfügung in Ausgabe von 1595: Solche Leute nenne Camerarius nicht seine Freunde.) Der Rest sei Gottes Urteil zu überlassen.<br>
 
Camerarius' Aufgabenbereich sei klar, um den kümmere er sich und lasse andere in Ruhe (''Meum munus quale sit, non est obscurum. Eo fungor sedulo, neque alienas tractationes invado.'') Dennoch dürfe er wohl aus seiner Sicht für oder wider andere argumentieren, was er freilich wenig oder gar nicht tue.<br>
 
Camerarius' Aufgabenbereich sei klar, um den kümmere er sich und lasse andere in Ruhe (''Meum munus quale sit, non est obscurum. Eo fungor sedulo, neque alienas tractationes invado.'') Dennoch dürfe er wohl aus seiner Sicht für oder wider andere argumentieren, was er freilich wenig oder gar nicht tue.<br>
 
Haber er aber jemals schlecht von Förtsch gesprochen, dessen Frömmigkeit und Tugendhaftigkeit er doch vielmehr oft gelobt habe? Warum hätte er das tun sollen? Denn gewiss sei Förtsch noch der, als den er ihn vor 30 Jahren kennengelernt habe, und wenn Camerarius auch viele Fehler habe, spreche er doch nicht schlecht über Abwesende. Was hätte er davon, oder wie würde es Förtsch schaden? Eine solche Tat erreiche nichts, außer von einem verwirrten Geist zu zeugen, den Förtsch Camerarius doch gewiss nicht zuschreibe.<br>
 
Haber er aber jemals schlecht von Förtsch gesprochen, dessen Frömmigkeit und Tugendhaftigkeit er doch vielmehr oft gelobt habe? Warum hätte er das tun sollen? Denn gewiss sei Förtsch noch der, als den er ihn vor 30 Jahren kennengelernt habe, und wenn Camerarius auch viele Fehler habe, spreche er doch nicht schlecht über Abwesende. Was hätte er davon, oder wie würde es Förtsch schaden? Eine solche Tat erreiche nichts, außer von einem verwirrten Geist zu zeugen, den Förtsch Camerarius doch gewiss nicht zuschreibe.<br>

Version vom 31. März 2020, 10:56 Uhr



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 Briefdatum
Camerarius an Förtsch, 01.10.15551 Oktober 1555 JL
Werksigle OCEp 0453
Zitation Camerarius an Förtsch, 01.10.1555, bearbeitet von Manuel Huth, Ulrich Schlegelmilch und Alexander Hubert (31.03.2020), in: Opera Camerarii Online, http://wiki.camerarius.de/OCEp_0453
Besitzende Institution
Signatur, Blatt/Seite
Ausreifungsgrad Druck
Erstdruck in Camerarius, Epistolae doctorum, 1568
Blatt/Seitenzahl im Erstdruck Bl.T6v-T7v
Zweitdruck in Camerarius, Epistolae familiares, 1595
Blatt/Seitenzahl im Zweitdruck S. 059-061
Sonstige Editionen
Wird erwähnt in
Fremdbrief? nein
Absender Joachim Camerarius I.
Empfänger Jörg Förtsch zu Peesten
Datum 1555/09/01
Datum gesichert? ja
Bemerkungen zum Datum cal. Septemb. Anno Christi MDLV; in der Ausgabe von 1595 o.D.
Unscharfes Datum Beginn
Unscharfes Datum Ende
Sprache Latein
Entstehungsort Nürnberg
Zielort o.O.
Gedicht? nein
Incipit Significatum mihi est iam accincto ad iter Lipsiae
Link zur Handschrift
Regest vorhanden? ja
Paratext ? nein
Paratext zu
Kurzbeschreibung
Anlass
Register Briefe/Parallelüberlieferung
Handschrift unbekannt
Bearbeitungsstand unkorrigiert
Notizen
Wiedervorlage ja
Bearbeiter Benutzer:MH; Benutzer:US; Benutzer:HIWI
Gegengelesen von
Datumsstempel 31.03.2020
Werksigle OCEp 0453
Zitation Camerarius an Förtsch, 01.10.1555, bearbeitet von Manuel Huth, Ulrich Schlegelmilch und Alexander Hubert (31.03.2020), in: Opera Camerarii Online, http://wiki.camerarius.de/OCEp_0453
Ausreifungsgrad Druck
Erstdruck in Camerarius, Epistolae doctorum, 1568
Blatt/Seitenzahl im Erstdruck Bl.T6v-T7v
Zweitdruck in Camerarius, Epistolae familiares, 1595
Blatt/Seitenzahl im Zweitdruck S. 059-061
Fremdbrief? nein
Absender Joachim Camerarius I.
Empfänger Jörg Förtsch zu Peesten
Datum 1555/09/01
Datum gesichert? ja
Bemerkungen zum Datum cal. Septemb. Anno Christi MDLV; in der Ausgabe von 1595 o.D.
Sprache Latein
Entstehungsort Nürnberg
Zielort o.O.
Gedicht? nein
Incipit Significatum mihi est iam accincto ad iter Lipsiae
Regest vorhanden? ja
Paratext ? nein
Register Briefe/Parallelüberlieferung
Datumsstempel 31.03.2020


Regest

Camerarius habe bereits nach Leipzig aufbrechen wollen, als ihm zu Ohren gekommen sei, dass Förtsch über einige Äußerungen von Camerarius geklagt habe, als sei der von der Sache abgefallen, dass er sich aber dennoch liebenswert über ihn geäußert und gewünscht habe, dass man Camerarius die Nachricht über den Tod von Förtschs Sohn überbringe. Camerarius verstehe, dass Förtsch sehr um seinen Sohn trauere, auf den er, auch veranlasst durch Camerarius, große Hoffnungen gesetzt habe; gleichwohl sei Camerarius sich sicher, dass Förtsch zu denen gehöre, die in ihrer Trauer Maß hielten und wüssten, wo Trost zu finden sei. Camerarius aber verstehe Förtschs Benachrichtigung als Zeichen seiner Freundschaft.
Dass es aber offenbar Leute gebe, die Förtsch von ihm abzuwenden suchten, erkenne er als Zeichen der Schlechtigkeit seiner Zeit oder seines eigenen Unglücks. Denn in Bezug auf das, was man Förtsch über Camerarius' Meinungsumschwung berichtet habe, hoffe er, dass Förtsch selbst besser von ihm denke und zulange kenne, um dem Glauben zu schenken. Denn wenn ihm auch kaum jemand schwächer erscheine als er selbst, hoffe er dennoch, so viel Konsequenz bewahrt zu haben, dass ihn kein guter Mensch zurechtweisen könne.
Doch er verurteile Gewalt und Wahn mancher, und wenn er die nützlichen Studien mehr schätze als die unnötigen Kämpfe andere, so müsse man ihm verziechen, der er ja auch immer die Religion am höchsten geschätzt habe. Dagegen könnten andere sagen, was sie wollten, Camerarius habe ein reines Gewissen. Es sei eine unglaubliche Frechheit, wie manche das täten, um die aufgescheuchten Massen nicht zur Ruhe kommen zu lassen, menschliche und göttliche Angelegenheiten zu vermischen. Und sie lögen dem Volk etwas von Freiheit vor und verleumdeten sie Reden der anderen. (Einfügung in Ausgabe von 1595: Solche Leute nenne Camerarius nicht seine Freunde.) Der Rest sei Gottes Urteil zu überlassen.
Camerarius' Aufgabenbereich sei klar, um den kümmere er sich und lasse andere in Ruhe (Meum munus quale sit, non est obscurum. Eo fungor sedulo, neque alienas tractationes invado.) Dennoch dürfe er wohl aus seiner Sicht für oder wider andere argumentieren, was er freilich wenig oder gar nicht tue.
Haber er aber jemals schlecht von Förtsch gesprochen, dessen Frömmigkeit und Tugendhaftigkeit er doch vielmehr oft gelobt habe? Warum hätte er das tun sollen? Denn gewiss sei Förtsch noch der, als den er ihn vor 30 Jahren kennengelernt habe, und wenn Camerarius auch viele Fehler habe, spreche er doch nicht schlecht über Abwesende. Was hätte er davon, oder wie würde es Förtsch schaden? Eine solche Tat erreiche nichts, außer von einem verwirrten Geist zu zeugen, den Förtsch Camerarius doch gewiss nicht zuschreibe.
Mehr Worte wolle Camerarius zu seiner Verteidigung nicht sagen, zumal er sicher sei, dass Förtsch auf solche Verleumdungen nicht höre. So solle er es auch weiterhin halten und Camerarius gewogen bleiben. Er stehe Förtsch zu Diensten.
Lebwohl.
Diesen Brief habe er an Förtschs Bruder nach Bamberg geschickt, als er mit Philipp Melanchthon nach Nürnberg gekommen sei wegen einiger Disputationen über die Lehre Osianders. Er schätze, er werde in acht Tagen wieder in der Heimat sein.

(Alexander Hubert)