Camerarius, Thyrsis, 1568 (1527/28)

Aus Joachim Camerarius (1500-1574)
Version vom 18. Februar 2020, 21:17 Uhr von JH (Diskussion | Beiträge) (Aufbau und Inhalt)
Wechseln zu: Navigation, Suche


Opus Camerarii
Werksigle OC 0812
Zitation Thyrsis, bearbeitet von Jochen Schultheiß (18.02.2020), in: Opera Camerarii Online, http://wiki.camerarius.de/OC_0812
Name Joachim Camerarius I.
Status Verfasser
Sprache Latein
Werktitel Thyrsis
Kurzbeschreibung Die Ekloge gibt die Stimmung nach der Niederwerfung des Bauernkrieges aus der Sicht zweier Bauern wieder, die unter den Repressalien der Sieger leiden.
Erstnachweis 1568
Bemerkungen zum Erstnachweis Datierung nach dem Erstdruck. Die Ekloge ist aber deutlich älter und muss im Dezember 1527 oder im Januar oder Anfang Februar 1528 entstanden sein. Dies legen historische Daten, auf die sich Geschehnisse in der allegorisch zu deutenden Ekloge beziehen, nahe (siehe unten die Darlegungen zum Entstehungskontext).
Datum unscharfer Erstnachweis (Beginn)
Datum unscharfer Erstnachweis (Ende)
Schlagworte / Register Bukolik; Deutscher Bauernkrieg (1524-1526); Allegorie; Biographisches (Familie)
Paratext zu
Paratext? nein
Paratext zu
Überliefert in
Druck Camerarius, Eclogae, 1568
Erstdruck in Camerarius, Eclogae, 1568
Blatt/Seitenzahl im Erstdruck S. 1-2
Carmen
Gedicht? ja
Incipit Thyrsi novella tuae carpunt virgulta capellae
Erwähnungen des Werkes und Einfluss von Fremdwerken
Wird erwähnt in
Folgende Handschriften und gedruckte Fremdwerke beeinflussten/bildeten die Grundlage für dieses Werk
Bearbeitungsstand
Überprüft am Original überprüft
Bearbeitungsstand korrigiert
Wiedervorlage ja
Bearbeiter Benutzer:JS
Gegengelesen von Benutzer:JH
Bearbeitungsdatum 18.02.2020
Opus Camerarii
Werksigle OC 0812
Zitation Thyrsis, bearbeitet von Jochen Schultheiß (18.02.2020), in: Opera Camerarii Online, http://wiki.camerarius.de/OC_0812
Name Joachim Camerarius I.




Sprache Latein
Werktitel Thyrsis
Kurzbeschreibung Die Ekloge gibt die Stimmung nach der Niederwerfung des Bauernkrieges aus der Sicht zweier Bauern wieder, die unter den Repressalien der Sieger leiden.
Erstnachweis 1568
Bemerkungen zum Erstnachweis Datierung nach dem Erstdruck. Die Ekloge ist aber deutlich älter und muss im Dezember 1527 oder im Januar oder Anfang Februar 1528 entstanden sein. Dies legen historische Daten, auf die sich Geschehnisse in der allegorisch zu deutenden Ekloge beziehen, nahe (siehe unten die Darlegungen zum Entstehungskontext).


Schlagworte / Register Bukolik; Deutscher Bauernkrieg (1524-1526); Allegorie; Biographisches (Familie)
Paratext zu
Paratext? nein
Überliefert in
Druck Camerarius, Eclogae, 1568
Carmen
Gedicht? ja
Incipit Thyrsi novella tuae carpunt virgulta capellae
Bearbeitungsdatum 18.02.2020


Widmung und Entstehungskontext

Kaum ein Krieg ist in solchem Ausmaß auch auf der literarischen Ebene geführt worden wie der Deutsche Bauernkrieg. Auch seine nachfolgende Bewertung findet insbesondere im literarischen Diskurs statt (vgl. Schäfer 1980, S. 1-3; Hamm 2001). Als Entstehungszeitpunkt konnte von Mundt 2004, S. 218-221 der Jahreswechsel zwischen 1527 und 1528 bestimmt werden. Diese Datierung beruht zum einen auf der plausiblen Identifizierung der Figur Moeris mit Hieronymus Camerarius (hierzu unten mehr). Moeris sei seit fast 12 Monaten in Gefangenschaft (v. 33). Legt man nun die Inhaftierung des Hieronymus am 11.02.1527 zugrunde, so ergibt sich eine Datierung des Gedichts auf die Monate am Übergang zwischen 1527 und 1528. Die Erwähnung der Regnitz legt als Ort des Geschehens die Gegend um Bamberg nahe.
Eine Veröffentlichung der Ekloge vor 1568 kann nicht festgestellt werden. Im Kontext der Eklogen-Ausgabe von 1568 wird das Gedicht von Ludwig Camerarius in dem Dedikationsbrief Anton von Ortenburg gewidmet.

Aufbau und Inhalt

Die Ekloge stellt einen Dialog zwischen den beiden Hirten Menalcas und Thyrsis dar. Die Namen der Hirten sind in der Bukolik gängig. Die Anspielungen des Gedichtes auf die Zeitgeschichte sind frappant. Die Hirten klagen in drastischer Ausdrucksweise über ihre schlechten Lebensbedingungen als Untertanen. Ihr Leben ist von Unfreiheit geprägt, sowohl in Hinblick auf ihren rechtlichen Status (vv. 6-8) als auch auf die Meinungsäußerung (vv. 9-12). Menalcas vertritt die Haltung, dass die Bauern eine gerechte Strafe für ihren Aufstand gegen die Obrigkeit abbüßten, wenn sie nun die zerstörten Burgen wieder aufbauen müssten (vv. 13-18). Thyrsis versucht die Bauern zu entschuldigen, unter denen viele von radikalen Kräften (partis vis) mitgerissen worden seien. Auch auf der Seite der Herren habe es Opportunismus gegeben. Gerade diese sollten nun gegenüber ihren Untertanen Gnade walten lassen, wenn sie sich derselben Untaten schuldig gemacht haben (vv. 19-29). Daraufhin weist Menalcas an Beispielen auf die Folgen des Krieges für einzelne Personen hin: Illus leide an der Besatzung, Thestylis an der Gefangennahme ihres unschuldigen Mannes. Auch Moeris wird trotz verdienstvollen Einsatzes abgestraft (vv. 30-35). Thyrsis stellt in seinem folgenden Dialogpart den Einsatz des Moeris als Friedensvermittler zwischen den Kriegsparteien dar. Er habe sich sogar zu den Truppen der Aufständischen an die Regnitz begeben (vv. 36-40). Auch Illus muss sich in dem Versprechen, dass sein Hab und Gut unversehrt bleibe, getäuscht sehen (vv. 41-42). Menalcas schließt die Ekloge mit einer moralischen Stellungnahme, die von Resignation gekennzeichnet ist: Dank für Verdienste, Versprechen, und Treue halten nur so lange an wie die Furcht.
Die Ekloge ist insofern allegorisch, als nicht die konkreten Ereignisse genannt werden, sondern lediglich auf sie angespielt wird. Die bukolische Welt ist aber in dem Punkt mit der realen verbunden, da mit den Figuren der Hirten die Bauern bereits im eigentlichen Sinne thematisiert werden (vgl. Mundt 2004, S. XXXIV). Moeris, der aufgrund der recht spezifischen Zeichnung mit einer historischen Person zu identifizieren ist, kann vermutlich mit Camerarius' Bruder Hieronymus Camerarius gleichgesetzt werden (vgl. hierzu und im folgenden Mundt 2004, S. 219-221). Dieser wurde in der Position eines bischöflichen Kanzleiverwesers am 11.02.1527 vom Bischof Weigand von Redwitz aus dem Dienst entlassen und inhaftiert, da auf ihn der Vorwurf gefallen war, sich an den Aufständen der Bauern beteiligt zu haben. Auch auf Weigand von Redwitz wird in der Ekloge angespielt, wenn "von der schändlichen Flucht des Herrn" (deformem dominique fugam) die Rede ist, womit wohl Ereignisse aus dem April 1525 bezeichnet sind, die Joachim Camerarius auch selbst miterlebt hat. Hierbei verhandelte Hieronymus im Namen des Bischofs mit aufständischen Bürgern.
Die Gefangennahme des Hieronymus wird auch in der sich ebenfalls auf den Bauernkrieg beziehenden und wohl etwas früher, aber auch im Jahr 1527 entstandenen Ekloge IV (Camerarius, Lycidas, 1568 (1527)) thematisiert. Die Identifizierung des Moeris mit Hieronymus impliziert die seiner Frau Thestylis mit Agnes Camerarius (vgl. Mundt 2004, S. 223), weniger zwingend ist die Gleichsetzung des Figur Illus mit Joachim Camerarius selbst (vgl. ebd.).

Womöglich spielt auch der erste Teil der Ekloge auf historische Ereignisse an. Hamm 2001, 268-270 identifiziert die Galli cognominis arx (v. 2), zu deren Fuß der Hirtendialog stattfindet, als die Henneburg bei Meiningen und bezieht die implizite Kritik an den dortigen Herren auf den berüchtigten Graf Wilhelm IV. von Henneberg-Schleusingen. Im Unterschied zu Eckart Schäfer ist Mundt 2004 von dieser Deutung nicht überzeugt.

Es liegen sprachliche Reminiszenzen an Vergil, Eklogen und Georgica vor. Wichtige Modelle sind insbesondere Vergils Eklogen 1 und 9, in denen Vergil unter Anspielung auf die Zeitgeschichte Hirten als Opfer von Besitzenteignungen durch die Machthaber auftreten lässt. Auch Vergil zeigt sich diesen Figuren gegenüber empathisch (vgl. Schäfer 1980, S. 21; Mundt 2004, S. 222-223).
In der im Gedicht vertretenen Auffassung, dass im Bauernkrieg auf beiden Seiten Fehlverhalten vorliege, spiegelt sich eine Haltung wider, die auch andere Stimmen der Zeit einnahmen (zu Hermann Schottenius vgl. Schäfer 1980, 21-29; Hamm 2016b). In der Sympathie für Moeris, der vermittelnd zwischen Bauern und Obrigkeit treten wollte, zeigt sich eine verständnisvolle Haltung gegenüber den Bauern. Eine solche bauernfreundliche Tendenz lässt sich aus Camerarius' biographischer Nähe zu den Ereignissen (Moeris = Hieronymus Camerarius) erklären (vgl. Schäfer 1980, S. 20-21).
Während die Mehrheit der Humanisten im Bauernkrieg auf der Seite der Obrigkeit steht, sind Camerarius und Euricius Cordus in ihren Eklogen an der Situation der Landbevölkerung interessiert ( vgl. Kühlmann 1997, S. 1106-1107; Hamm 2001).

Überlieferung

Der Erstdruck erfolgt nicht vor der Eklogen-Ausgabe 1568.

Forschungsliteratur